Informationen zu aktuellen Forschungsprojekten finden Sie auch auf der Webseite des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen.
Themen meiner Forschung
Verantwortung des Arztes
In meiner Untersuchung zur Verantwortung des Arztes setzte ich mich mit der Bedeutung des Verantwortungsbegriffes für die ärztliche Tätigkeit auseinander. ‚Verantwortung‘ erweist sich auch hier als ethischer Begriff zweiter Ordnung, der sich aber fruchtbar nutzen lässt, wenn weitgehende Einigkeit über die moralische Ausrichtung der Profession besteht. Verantwortung hat gegenüber der Pflicht den Vorteil, komplexe Entscheidungssituationen angemessener regeln zu können. Für den Arzt bedeutet dies, dass er die Ziele, die Mittel, mit denen er die Ziele erreichen will, und die Haltung, mit der er die Zeile anstrebt, verantworten muss.
Medizin: Kunst oder Wissenschaft?
In meiner Habilitationsschrift untersuchte ich den Einfluss von Kant und Schelling auf den wissenschaftstheoretischen Status der Medizin. Für Kant – und die Kantianer unter den Ärzten – bleibt die Medizin eine Kunst, „von der Natur unmittelbar entlehnt und [die] um deswillen von einer Wissenschaft der Natur abgeleitet werden muß“. Schelling hingegen will sie zur "Krone und Blüthe aller Naturwissenschaften" erheben, mit erheblichen Konsequenzen für die ärztliche Ausbildung und das ärztliche Selbstverständnis. Eine besondere Position in dieser Epoche nimmt Andreas Röschlaub (1786-1835) ein, der einerseits die Schellingsche Naturphilosophie verfolgt, andererseits eine explizit praktische Ausrichtung der Medizin befürwortet. Er fordert nicht nur eine Theorie für das ärztliche Handeln, sondern eine Theorie des ärztlichen Handelns, ein „Iatrotechnik“. Seine Untersuchungen zu gegenwärtigen Entwicklungen der Medizin bestätigen den Status als praktische Wissenschaft.
Indikation und Krankheitsbegriff
Beim Krankheitsbegriff habe ich mich dafür ausgesprochen, auf den Begriff bei ethischen Entscheidungen in der Medizin zu verzichten. In meiner Untersuchung zur Indikation nehme ich diesen Faden wieder auf: Die Medizin wird sich weiter auf Bereiche ausweiten, die mit Krankheit, was immer man darunter versteht, nichts zu tun haben. In diesen Bereichen muss aber aus professionsbedingten Gründen weiterhin eine Indikationsstellung vorgenommen werden.
Ökonomisierung der Medizin
In der Bundesrepublik gibt es Steigerungen von Behandlungszahlen, die sich medizinisch nicht erklären lassen. Eine hohe Zahl von Krankenhäusern versucht bei einem Überangebot von Krankenhausbetten, über möglichst viele Interventionen ihren Fortbestand zu sichern. Das Abrechnungssystem über die Fallpauschalen (DRGs) verleitet dazu. Diese Ökonomisierung geht zu Lasten der Patienten und der Gemeinschaft, sie ist mit dem Selbstverständnis der Medizin nicht vereinbar. Sie gefährdet das Vertrauen der Patienten in die Medizin, die davon ausgehen müssen, dass nur Interventionen zu ihrem Nutzen durchgeführt werden.
Das entbindet die Medizin freilich nicht, ökonomische Gesichtspunkte zu beachten. „Solange betriebswirtschaftliches Denken dazu dient, eine indizierte Maßnahme möglichst wirtschaftlich und effektiv umzusetzen, ist es geboten. Der Rubikon ist überschritten, wenn ökonomisches Denken zur Erlössteigerung die medizinische Indikationsstellung beeinflusst.“ (Dtsch Arztebl 2013; 110(26): A-1289 / B-1129 / C-1117).
Siehe auch die Stellungnahme der Leopoldina, an der ich mitgearbeitet habe. www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/zum-verhaeltnis-von-medizin-und-oekonomie-im-deutschen-gesundheitssystem-2016/
Ärztlich assistierter Suizid
Zusammen mit Gian Domenico Borasio, Ralf Jox und Jochen Taupitz habe ich einen Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids unterbreitet. Unter strengen Voraussetzungen sollte die ärztliche Assistenz beim Suizid ermöglicht werden. Teile des Entwurfs wurden in der Bundestagsdebatte aufgegriffen, fanden jedoch keine Wiederhall in der Entscheidung zum § 217.
Reproduktionsmedizin
In meinen Untersuchungen zur Reproduktionsmedizin habe ich auf die schnelle Verbreitung der Methoden jenseits eines gesicherten Nutzen-Risiko-Verhältnisses hingewiesen. Die Frage, ob eine reproduktionsmedizinische Maßnahme als evidenzbasiert gelten kann oder sich noch in der Erforschung befindet, wurde nicht gestellt und auch nicht beantwortet. Auch gegenwärtig werden die Erfolgszahlen gegenüber den Patienten übertrieben, die homepages der IVF-Zentren geben - wenn überhaupt - unrealistische Erfolgsquoten an.1_kadi_wiesing_entscheidung_ohne_information.pdf Die Patientinnen haben ungerechtfertigt hohe Erwartungen bezüglich der Erfolge der Reproduktionsmedizin. Für sie gibt es in Deutschland keine Möglichkeit, sich unabhängig über die Erfolge einzelner Zentren zu informieren. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Erfolge in Deutschland ist mangelhaft.
Versicherung und Genetik
In meinen Untersuchungen zum Verhältnis von Versicherung und Genetik habe ich auf die Gefahren hingewiesen, wenn die Medizin in der Lage ist, zunehmend mehr Krankheiten zu prognostizieren. Gemäß dem Motto „Ein brennendes Haus lässt sich nicht gegen Feuer versichern“ gilt auch in der privatwirtschaftlichen Krankenversicherung, dass man Krankheiten, von denen man weiß, dass sie eintreten werden, nicht mit Risikokalkulationen versichern kann. Man kann dann besser die Kosten für die Behandlung ansparen. Diese Entwicklung spricht deutlich für eine Bürgerversicherung ohne Risikokalkulation.
Nachlass Richard Koch
Walter Laqueur hat mir den Nachlass seines Schweigersohnes Richard Koch (1882-1949) übergeben. Der Nachlass wurden zusammen mit Frank Töpfer aufgearbeitet, die Autobiographie publiziert und Texte übertragen.
In meiner Untersuchung zur Verantwortung des Arztes setzte ich mich mit der Bedeutung des Verantwortungsbegriffes für die ärztliche Tätigkeit auseinander. ‚Verantwortung‘ erweist sich auch hier als ethischer Begriff zweiter Ordnung, der sich aber fruchtbar nutzen lässt, wenn weitgehende Einigkeit über die moralische Ausrichtung der Profession besteht. Verantwortung hat gegenüber der Pflicht den Vorteil, komplexe Entscheidungssituationen angemessener regeln zu können. Für den Arzt bedeutet dies, dass er die Ziele, die Mittel, mit denen er die Ziele erreichen will, und die Haltung, mit der er die Zeile anstrebt, verantworten muss.
Medizin: Kunst oder Wissenschaft?
In meiner Habilitationsschrift untersuchte ich den Einfluss von Kant und Schelling auf den wissenschaftstheoretischen Status der Medizin. Für Kant – und die Kantianer unter den Ärzten – bleibt die Medizin eine Kunst, „von der Natur unmittelbar entlehnt und [die] um deswillen von einer Wissenschaft der Natur abgeleitet werden muß“. Schelling hingegen will sie zur "Krone und Blüthe aller Naturwissenschaften" erheben, mit erheblichen Konsequenzen für die ärztliche Ausbildung und das ärztliche Selbstverständnis. Eine besondere Position in dieser Epoche nimmt Andreas Röschlaub (1786-1835) ein, der einerseits die Schellingsche Naturphilosophie verfolgt, andererseits eine explizit praktische Ausrichtung der Medizin befürwortet. Er fordert nicht nur eine Theorie für das ärztliche Handeln, sondern eine Theorie des ärztlichen Handelns, ein „Iatrotechnik“. Seine Untersuchungen zu gegenwärtigen Entwicklungen der Medizin bestätigen den Status als praktische Wissenschaft.
Indikation und Krankheitsbegriff
Beim Krankheitsbegriff habe ich mich dafür ausgesprochen, auf den Begriff bei ethischen Entscheidungen in der Medizin zu verzichten. In meiner Untersuchung zur Indikation nehme ich diesen Faden wieder auf: Die Medizin wird sich weiter auf Bereiche ausweiten, die mit Krankheit, was immer man darunter versteht, nichts zu tun haben. In diesen Bereichen muss aber aus professionsbedingten Gründen weiterhin eine Indikationsstellung vorgenommen werden.
Ökonomisierung der Medizin
In der Bundesrepublik gibt es Steigerungen von Behandlungszahlen, die sich medizinisch nicht erklären lassen. Eine hohe Zahl von Krankenhäusern versucht bei einem Überangebot von Krankenhausbetten, über möglichst viele Interventionen ihren Fortbestand zu sichern. Das Abrechnungssystem über die Fallpauschalen (DRGs) verleitet dazu. Diese Ökonomisierung geht zu Lasten der Patienten und der Gemeinschaft, sie ist mit dem Selbstverständnis der Medizin nicht vereinbar. Sie gefährdet das Vertrauen der Patienten in die Medizin, die davon ausgehen müssen, dass nur Interventionen zu ihrem Nutzen durchgeführt werden.
Das entbindet die Medizin freilich nicht, ökonomische Gesichtspunkte zu beachten. „Solange betriebswirtschaftliches Denken dazu dient, eine indizierte Maßnahme möglichst wirtschaftlich und effektiv umzusetzen, ist es geboten. Der Rubikon ist überschritten, wenn ökonomisches Denken zur Erlössteigerung die medizinische Indikationsstellung beeinflusst.“ (Dtsch Arztebl 2013; 110(26): A-1289 / B-1129 / C-1117).
Siehe auch die Stellungnahme der Leopoldina, an der ich mitgearbeitet habe. www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/zum-verhaeltnis-von-medizin-und-oekonomie-im-deutschen-gesundheitssystem-2016/
Ärztlich assistierter Suizid
Zusammen mit Gian Domenico Borasio, Ralf Jox und Jochen Taupitz habe ich einen Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids unterbreitet. Unter strengen Voraussetzungen sollte die ärztliche Assistenz beim Suizid ermöglicht werden. Teile des Entwurfs wurden in der Bundestagsdebatte aufgegriffen, fanden jedoch keine Wiederhall in der Entscheidung zum § 217.
Reproduktionsmedizin
In meinen Untersuchungen zur Reproduktionsmedizin habe ich auf die schnelle Verbreitung der Methoden jenseits eines gesicherten Nutzen-Risiko-Verhältnisses hingewiesen. Die Frage, ob eine reproduktionsmedizinische Maßnahme als evidenzbasiert gelten kann oder sich noch in der Erforschung befindet, wurde nicht gestellt und auch nicht beantwortet. Auch gegenwärtig werden die Erfolgszahlen gegenüber den Patienten übertrieben, die homepages der IVF-Zentren geben - wenn überhaupt - unrealistische Erfolgsquoten an.1_kadi_wiesing_entscheidung_ohne_information.pdf Die Patientinnen haben ungerechtfertigt hohe Erwartungen bezüglich der Erfolge der Reproduktionsmedizin. Für sie gibt es in Deutschland keine Möglichkeit, sich unabhängig über die Erfolge einzelner Zentren zu informieren. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Erfolge in Deutschland ist mangelhaft.
Versicherung und Genetik
In meinen Untersuchungen zum Verhältnis von Versicherung und Genetik habe ich auf die Gefahren hingewiesen, wenn die Medizin in der Lage ist, zunehmend mehr Krankheiten zu prognostizieren. Gemäß dem Motto „Ein brennendes Haus lässt sich nicht gegen Feuer versichern“ gilt auch in der privatwirtschaftlichen Krankenversicherung, dass man Krankheiten, von denen man weiß, dass sie eintreten werden, nicht mit Risikokalkulationen versichern kann. Man kann dann besser die Kosten für die Behandlung ansparen. Diese Entwicklung spricht deutlich für eine Bürgerversicherung ohne Risikokalkulation.
Nachlass Richard Koch
Walter Laqueur hat mir den Nachlass seines Schweigersohnes Richard Koch (1882-1949) übergeben. Der Nachlass wurden zusammen mit Frank Töpfer aufgearbeitet, die Autobiographie publiziert und Texte übertragen.